Hartmann und Weiss

Am 6. November 1938 erblickte Otto Weiss in Gardelegen das Licht der Welt. Bereits in den Kinderschuhen verbrachte er den größten Teil seiner Freizeit in der Büchsenmacherwerkstatt seines Vater. Im Gegensatz zu seinem Großvater, der in Suhl Goldlauter ansässig war, war der Betrieb seines Vaters ein kleiner, feiner regionaler Betrieb in der Altmark, der primär die großen staatlichen Forstreviere als Service- & Vertriebspartner der Suhler Waffenbetriebe betreute. Reparaturen, Zielfernrohrmontagen und Neuschäftungen waren hier das Tagesgeschäft. Kein Wunder also, dass Otto dann auch 1952 die Lehre als Büchsenmacher in Suhl begann. Im eigenen Lehrbetrieb des Suhler Waffenkombinats, zu dem damals Merkel, Fortuna, Hähnel und Greifel gehörten, erlernte Otto den Beruf des Systemmachers. Nach drei Jahren Ausbildung begann er dann 1955 seine Tätigkeit als Systemmacher bei der Firma Merkel in Suhl. Mit einem gewissen Weitblick erkannte Otto trotz seines jugendlichen Alters, dass die DDR und Suhl nicht die Zukunft eines jungen aufstrebenden Büchsenmachers sein konnten. Immer wieder kam es vor, dass internationale Einkäufer nach Suhl reisten, um das begehrte Exportgut Suhler Jagdwaffe in andere Länder zu exportieren. So hatte Otto das Glück, auf diese Weise Mitarbeiter der bekannten Züricher Waffenfirma Glaser kennenzulernen, die damals als Importeur für Merkel Waffen in der Schweiz fungierte. Mit einem hohen Risiko verbunden, wagte Otto eine gezielte Kontaktaufnahme, um seine weitere berufliche Laufbahn zu planen. Nachdem man in der Schweiz ein gewisses Interesse an dem jungen aufstrebenden Mitarbeiter signalisiert hatte, plante Otto seine Flucht. Da Orte wie Gardelegen oder Suhl zu klein und persönlich waren, galt es zuerst, in der Anonymität einer größeren Stadt unterzukommen, um von dort aus die Ausreise zu beantragen. Da gerade Büchsenmacher, die Umgang mit Waffen hatten, besonders in Augenschein genommen wurden, wechselte Otto kurzerhand den Job und begann als Büromaschinenmechaniker in Magdeburg zu arbeiten. Kurze Zeit später bekam er von dort die Genehmigung, die DDR kurzfristig verlassen zu dürfen. Über die Bundesrepublik Deutschland ging es dann nach Erhalt der ersehnten Papiere direkt in die Schweiz nach Zürich. Hier arbeite Otto über zwei Jahre in der Werkstatt, bis er merkte, dass die Reparatur an Waffen allein ihn nicht ausfüllte. So bewarb er sich bei der britischen „Gunmakers Association“ und bekam kurze Zeit später mehrere Angebote von englischen Firmen, die Interesse an einem gut ausgebildeten Systemmacher zeigten. Trotz der Sprachbarriere wechselte Otto bald darauf nach Purdey in London. Hier arbeitete er erstmals verstärkt an Holz und erwarb die Fähigkeit, Schäfte mit außergewöhnlich guter Passform und Verarbeitung für Flinten und Doppelbüchsen anzufertigen. 1963 zog es den jungen Büchsenmacher dann zurück nach Deutschland, wo er bei dem bekannten und renommierten Jagdaustatter Vandrey in Hamburg unterkommen konnte.

Gerhard Hartmann wurde am 23. Dezember 1939 in Hamburg geboren. Bereits 1955 begann er seine Lehre als Büchsenmacher bei dem Hamburger Büchsenmachermeister Franz Cieplik. Um überhaupt diese begehrte Lehrstelle zu bekommen, begann er bereits zwei Jahre vorher, gelegentlich und an Wochenenden bei Cieplik als Praktikant zu arbeiten und einfache Arbeiten auszuführen. Nach erfolgreicher Lehre wechselte er dann nach Ulm zur Firma Krieghoff, wo er als Systemmacher in der Büchsenmacherei arbeitete. Hier wurden in dieser Zeit hauptsächlich hochwertige Drillinge und Bockbüchsflinten gefertigt. Zwei Jahre später zog es ihn nach Ferlach, wo er als Gastschüler an der HTL das Schäften lernte. In dieser Zeit lernte er auch den renommierten Büchsenmachermeister Winkler kennen, für den er nach der Ausbildung eine Zeit lang arbeitet. Nach der Bundeswehr lockte dann auch wieder Hamburg, weil Hartmann ein gutes Angebot von den renommierten Jagdausstatter Vandrey bekommen hatte. Während seiner Lehrzeit hatte er mit Cieplik Jr. das KK-Schießen entdeckt und war schon in dieser Zeit einer der herausragendsten Schützen und national bekannt. In Hamburg treffen Hartmann und Weiss das erste Mal aufeinander und verbringen viele gemeinsame Stunden in der Werkstatt. Neben der handwerklichen Perfektion ist es der Wille, selbst hochwertige Jagdwaffen zu fertigen, was beide von Anfang an verbindet. Im Jahre 1965, als Hartmann den ersehnten Meisterbrief in der Hand hält, gründen sie die gemeinsame Firma Hartmann & Weiss. Anfänglich beginnen sie in den Kellerräumen von Hartmanns Eltern, bevor sie die Möglichkeit bekommen, aufgrund von Hartmanns Popularität als Sportschütze, im alten Rahlstedter Schützenhof eine kleine Werkstatt zu eröffnen. Doch schon nach kurzer Zeit ziehen sie um in die Rahlstedter Straße und eröffnen dort ein kleines Ladenlokal mit Werkstatt. In dieser Zeit leben sie primär von Reparaturen, Neuschäftungen und der Fertigung von Repetierbüchsen aus alten Mausersystemen. Erst nach über zehn Jahren, mit dem Umzug in die Rahlstedter Bahnhofstra.e 47, beginnt die neue Ära. Das Grundstück wurde nach der Vorgabe einer Länge von über 100 Meter, um einen eigenen unterirdischen Schießkanal zu bauen, ausgewählt. Nun beginnt die Fertigung von eigenen Rohteilen, um die Produktion zu starten. Die erste Waffe, die ab 1970 in Serie gebaut wird, ist die Heerenbüchse nach dem Patent von Nagel & Menz aus Baden-Baden, eine Firma, die man später vollständig übernimmt. Die erste Waffe, die ab 1970 in Serie gebaut wird, ist die Heerenbüchse nach dem Patent von Nagel & Menz aus Baden-Baden, eine Firma, die man später vollständig übernimmt. Fünf Jahre später beginnt die eigene Produktion der Seitenschlosssysteme für Flinten und Doppelbüchsen. Mehr und mehr Teile werden nun selbst gefertigt, um unabhängig von Zulieferern eine höchstmögliche Qualität zu gewährleisten. Die ersten Waffen werden noch mit Systemen gefertigt, die aus demselben Haus der Zulieferer stammen, die auch für Holland & Holland und Purdey fertigen. 1973 kommt Peter Nelson aus London zu Hartmann & Weiss. Er hatte zusammen mit Otto Weiss bei Purdey an der Werkbank gearbeitet. Nelson verstärkt das Team bei der Produktion, doch nach fünf Jahren zieht es ihn zurück in seine Heimat London. Um den gerade in Großbritannien stark boomenden Markt besser betreuen zu können, eröffnen die drei eine Filiale in London und produzieren nun das erste Mal an zwei unterschiedlichen Standorten.

John Amber, der Herausgeber des „Gun Digest“, ist der erste Journalist, dem auf einer dieser Messen diese unglaublich gefertigten Waffen auffallen und dessen positiver Artikel über die Heerenbüchse zum Ritterschlag der beiden jungen Hamburger Büchsenmacher wird. Mit Anwachsen des Maschinenparks wächst auch die Zahl der eigenen Fertigungslinien. Das große Mauser Magnum System, unentbehrlich für die Fertigung von Großwild Repetierbüchsen und original am Markt kaum erhältlich, wird in mühsamer Kleinarbeit rekonstruiert, optimiert und mit Hochleistungsstählen neu gefertigt. Kurze Zeit später wird auch das Kurzsystem neu aufgelegt. In den 80er Jahren beginnt die Produktion der Hagen-Block-Systeme. Gerd Hartmann hatte den aus Kochel am See stammenden Büchsenmacher in seiner Zeit in Ferlach kennengelernt. Und so produziert Hartmann & Weiss für Hagn) die Systeme und fertigt parallel daraus eigene hochwertige Blockbüchsen. Noch heute gibt es eine enge Zusammenarbeit mit Hagn, der mittlerweile nach Kanada ausgewandert ist, und Gernot Walther der als Hagns Lehrling den Betrieb in Kochel übernommen hat. Ein Mann der ersten Stunde war der Suhler Heinz Funk, der nach seiner Tätigkeit als Werksgraveur von Sauer & Sohn in Eckernförde bis heute viele edle Waffen graviert hat. Im Jahre 1994 beginnt die Fertigung der ersten Rohteile der „Over and Under“-Bosstype, heute eines der begehrtesten Gewehre aus dem Haus Hartmann & Weiss, welches im Kaliber 12, 16, 20 und 28 gefertigt wird. Die letzte in Hamburg neu in Serie gefertigte Waffe ist die Seitenschlosskipplaufbüchse. Der stabile Vierfach-Verschluss mit Greener Verschluss und doppelten Laufhaken der Merkel Serie 303/304. Besser bekannt auch als Karpatenbüchse, wo der Lauf inklusive Laufschiene und Hakenstück aus einem Stück gefräst ist. Eine besonderes Erkennungsmerkmal ist der um ca. 1,5 mm nach hinten verlängerte Laufhaken, der so zusätzlich hinten ins System eingreift. Von Beginn an wurden die Repetierbüchsen gefertigt und immer mehr perfektioniert. Besonders die erste zerlegbare Repetierbüchse auf dem Markt mit dem wiederholgenauen Trapezgewinde zum Zerlegen erfreute sich großer Beliebtheit. Heute werden die Repe- tierbüchsen in drei verschieden Systemgrößen in fast allen gängigen Kalibern gefertigt. Dazu immer wieder Repetierbüchsen mit bis zu sechs Wechselläufen, um auf allen Kontinenten der Erde jagen zu können. Noch heute ist es dieser absolute Wille zur Perfektion und zur Vollendung, der eine Waffe aus dem Hause Hartmann & Weiss auszeichnet. Nahezu jedes Teil wird aus den besten Materialen selbst gefertigt und so lange bearbeitet, bis es besser nicht geht. Dazu werden die besten und erlesensten Hölzer verwendet. Selbst die Büchsenläufe werde nach eigenen Angaben gefertigt und in einer kleinen Manufaktur händisch gezogen. Dazu kommen die besten Graveure der Welt, wie z. B. Alain Lovenberg oder die Brown Brothers, die schon einige Waffen zu wahren Kunstschätzen haben werden lassen. Heute, nach über 50 Jahren, ist aus dieser kleinen Hamburger Manufaktur ein Schmuckstück geworden, das seines Gleichen sucht. Firmen wie Holland & Holland und Purdey nennen die Hamburger Firma kollegial im selben Atemzug mit ihrem Namen, wenn es um die Fertigung von hochwertigsten Jagdwaffen geht. Doch ist es nur wenigen Menschen vergönnt, eine Waffe dieser beiden Meister ihr Eigen zu nennen. Neben der Exklusivität sind es die geringe Verfügbarkeit und die langen Lieferzeiten. Die Herstellung einer Repetierbüchse dauert ca. 24 Monate und die einer Flinte oder Doppelbüchse auch schnell drei bis vier Jahre. Auch Gebrauchtwaffen sind sehr rar, da die meisten Waffen für ausländische Kunden produziert worden sind und die wenigen nach Deutschland gelieferten Stücke selten auf den Markt kommen. Kein Wunder also, dass gebrauchte Waffen heute schon Traumpreise erzielen. In den letzten 53 Jahren wurden knapp 10 bis 15 Gewehre pro Jahr gefertigt. Ich habe über viele Jahre viele Stunden dort in der Werkstatt und im Laden verbracht und habe unter meisterhafter Anleitung Waffen zerlegt und gewartet. Ein großen Teil meines Wissens über handgefertigte Luxuswaffen, aber auch über klassische englische Jagdwaffen, habe ich in dieser Zeit gewonnen. Heute bin sehr dankbar für das immense Wissen, was ich von diesen beiden großartigen Büchsenmachern erwerben durfte.

Auszug aus dem von mir herausgegebenen Buch „ Die Büchsenmacher“ 

ISBN 978-3-440017258-8 Kosmos Verlag 

Mit freundlicher Genehmigung vom Kosmos Verlag

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